„Spieler haben die Zeichen der Zeit begriffen“

Andreas Rettig, Geschäftsführer beim Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Köln, über das Ausbleiben der Fernsehmillionen als Folge der Kirch-Pleite, über hohe Personalkosten, Spielergehälter und die Notwendigkeit, Spieler ablösefrei und zu realistischen Gehältern zu verpflichten

taz: Herr Rettig, addiert man die Etats aller Bundesligisten vor der heute beginnenden Saison, kommt man auf 596,2 Millionen Euro. Das sind nochmals sechs Millionen mehr als in der vorigen Saison. Versteht man das in der Bundesliga unter Sparen?

Andreas Rettig: Wenn man so allgemein von Etats spricht, muss man erst einmal klären, was damit genau gemeint ist. Die einen meinen mit Etat den Umsatz, die anderen bezeichnen damit lediglich den Personalaufwand der Lizenzabteilung. Da geht viel durcheinander.

Also kein neuer Rekord?

In Zeiten, in denen die Vereine ihr Vermarktungspotenzial besser ausschöpfen und auch die Zuschauerzahlen boomen, ist es doch klar, dass sich das in höheren Umsätzen oder – bitte in Anführungszeichen – Etats widerspiegelt. Das sollte man der Liga nicht vorwerfen, das ist ja eher positiv. Sehen Sie, die Umsätze runterzufahren wäre doch Quatsch. Im Gegenteil: Wir wollen sie steigern. Nur wollen wir auf der anderen Seite genau so sehr die Personalkosten besser in den Griff bekommen. Entscheidend ist, welchen Anteil die Personalkosten des Lizenzspielerbereichs am Gesamtumsatz ausmachen. Da hat es in den letzten Jahren bei vielen Vereinen eine sehr ungesunde Entwicklung gegeben. Da war mancher Klub dabei, bei dem die Personalkosten deutlich über 50 Prozent des Umsatzes aufgefressen haben.

Der 1. FC Köln etwa verfügt über einen Etat von 34 Millionen Euro, den sechsthöchsten der Liga. Für einen Aufsteiger klingt das nicht schlecht.

Von den Umsätzen her gesehen, ist es faktisch vielleicht richtig, uns auf einem einstelligen Tabellenplatz zu führen. Aber wenn man die Personalkosten des Lizenzspielerbereichs nimmt, bewegen wir uns ganz klar in der Nähe der Abstiegsplätze.

Zusammenfassend lässt sich aber feststellen, dass sich die Kirch-Pleite weit weniger dramatisch ausgewirkt hat als angenommen.

Die Kirch-Pleite hat uns vielleicht nicht ins Mark getroffen, aber sie hat uns auf jeden Fall vor sehr, sehr große Probleme gestellt. Wobei ich der Sache grundsätzlich sogar etwas Positives abgewinnen kann: nämlich dass der Fußball auf ein gesünderes Maß zurückgefahren werden musste. Warum müssen wir mit Millionen jonglieren, wenn es ein paar Hunderttausend auch tun? Zum Problem wird es dann, wenn sie mit Herrn Kirch einen Vierjahresvertrag abschließen, der ein Gesamtpaket von eineinhalb Milliarden umfasst, das gestückelt ausbezahlt werden soll. Wenn sie in Erwartung dieser scheinbar sicheren Einnahme dann auf der Kostenseite Verträge mit Spielern abschließen – und das über zwei oder drei Jahre – und die Einnahmenseite plötzlich wegbricht, dann wird es zum Problem. Genau so war es.

Wie schwer war die Problembewältigung?

Unser Glück war, dass die Bundesliga boomt. Es gab noch nie so viele Zuschauer wie in der letzten Spielzeit und es wurden noch nie so viele Dauerkarten verkauft wie in der neuen Saison. Auch die WM 2006 im eigenen Land ist ein Segen, das ist ein Magnet, das wirkt schon jetzt.

Wie viel haben die Bundesligisten denn weniger aus dem Fernsehtopf?

Im Schnitt sind das 7,5 Millionen Euro in der ersten und 2 Millionen in der zweiten Liga.

Wie lässt sich das kompensieren?

Indem man an der Kostenschraube dreht, nämlich nach unten. An bestehenden Verträgen können Sie ja nichts ändern, außer der Spieler kommt Ihnen entgegen. Wir haben das in Köln in der abgelaufenen Saison so in den Griff gekriegt, dass wir die Personalkosten über die Köpfe gesteuert haben. Aus einem 28-Mann-Kader wurde ein 21-Mann-Kader. Das war der kleinste im bezahlten Fußball – und natürlich ein Risiko. Aber es ging einfach nicht anders.

Die Bundesligisten haben sich auf dem Transfermarkt vornehm zurückgehalten. Hier wurden die Ausgaben für Neuzugänge im Vergleich zur Vorsaison (rund 105 Millionen Euro) um mehr als zwei Drittel auf 32,5 Millionen gesenkt. Ist der Kaufrausch der vergangenen Jahre endgültig vorbei?

Das ist kaufmännisch ganz einfach zu erklären: Wenn es einem Unternehmen gut geht, investiert es, um seine Qualität zu verbessern und noch weiter nach vorne zu kommen – und damit der Gewinn nicht von der Steuer aufgefressen wird. Wenn ich aber keine Gewinne mehr habe, eben weil mir eine wichtige Einnahmequelle weggebrochen ist, kann ich nicht noch weiter investiv sein.

Köln ist zusammen mit Stuttgart, Bremen und Freiburg einer der Klubs, der bei Transfers weder Ein- noch Ausgaben verzeichnet. Sind ablösefreie Spieler der neue Trend?

Sie sind eine zwingende Notwendigkeit, weil es eine Möglichkeit ist, sich den Gegebenheiten anzupassen.

Und wie viel von der bei der Ablöse eingesparten Summe muss beim Gehalt draufgesattelt werden, um einen Wunschspieler locken zu können?

So schlimm ist das gar nicht. Auch die Spieler haben die Zeichen der Zeit begriffen und sagen: Wenn ich bei dem und dem Verein einen Dreijahresvertrag unterschreiben kann mit einem sicheren Gehalt, verzichte ich auf das Ausreizen bis aufs Letzte.

Und welche Einsparungsmöglichkeiten bieten sich einem Verein bei laufenden, längerfristigen Verträgen?

Auch da gibt es Möglichkeiten. Beispielsweise indem man einem Spieler, der noch zwei Jahre Vertrag hat, einen Vier-Jahres-Vertrag anbietet, in dem dann aber anders verteilt wird.

Herr Rettig, die DFL denkt derzeit über eine Obergrenze für Spielergehälter nach. Was halten Sie davon?

Entscheidend ist nicht, dass uns das jemand von oben diktiert. Entscheidend ist, dass wir das aus innerer Überzeugung machen, indem wir sagen: Ich bin verantwortlich für das wirtschaftliche Wohl und Weh meines Vereins, und deshalb mache ich nicht jeden Blödsinn mit. INTERVIEW: FRANK KETTERER